Anmerkungen zur virtuellen Bild-Restaurierung
Die bei der Reproduktion zur Verfügung stehenden Originale
Die mir für die fotografische Reproduktion zur Verfügung standen, waren zum großen Teil in einem physisch schlechten Zustand. Viele Ölgemälde hatten Alterserscheinungen - z.B. nachgedunkelter und verfärbter Firnis, Haarrisse im Farbauftrag und durch die Lagerung in Rollen entstandene Welligkeit der Leinwand.
Bei manchen Zeichnungen ist das Trägerpapier stark nachgedunkelt, und bei anderen kam es in diesem Alterungsprozess zudem noch zu parziellem Lichteinfluss und somit zu unterschiedlicher Helligkeit.
Andere hygroskopische Trägermaterialien haben durch Feuchtigkeitseinfluss dunkle Stockflecken bekommen.
Es gibt immer wieder Ablösungen von Farbe. Bei ehemals gerahmten Bildern gibt es dort unterschiedliche Farbe, wo der Rahmen das Bild bedeckte. Es gibt bei ein paar Bildern sogar Löcher und Risse. Auf der Unterseite physisches Original - virtuelle Bearbeitung sind sieben krasse Beispiele zu sehen.
Zudem sind die nicht vollkommen fertigen Bilder nicht gefirnist und somit sehr matt in den Farben - haben also kaum Leuchtkraft.
Kriterien zur Schätzung und Einordnung der Auswahl der Bilder
Nach dem fotografischen Ablichten der gesamten verfügbaren Bilder Otto Wagners habe ich zusammen zwei anderen künstlerischen Personen eine Durchsicht der gesamten unbearbeiteten Foto-Repros vorgenommen.
Für eine erste "Bewertung" wurden folgende Kriterien gewählt:
Die Vollständigkeit bzw. Fertiggestelltheit eines Bildes spielte bei der Einschätzung übrigens keine Rolle - dazu unten mehr.
Es gibt zwei Hauptgruppen an Bildern:
a) nicht kommerzielle Bilder (Malschule, Studien, Skizzen aller Art, Zeichnungen, Aquarelle, Kohlearbeiten, Bilder zum eigenen "Gebrauch", einiges aus den letzten Lebensjahren des Malers), von denen von Anfang (1946) an ein großer Teil sehr interessant und persönlich ist. Mit "persönlich" meine ich hier nicht den Malstil, sondern ein Spannungsverhältnis zwischen Sicht aufs Motiv, Idee und Ausführung - ob das Bild dabei zuendegeführt wurde oder nicht, ist dabei belanglos. Fertige quasi „ausgemalte“ Bilder verlieren gegenüber den Skizzen hie und da an Frische und Stringenz. Die idee, das Flair, der spontane Lichtaugenblick ist in skizzierten oder nicht fertiggestellt liegengebliebenen Arbeiten oft stärker im Eindruck.
Zeichnungen, Skizzen, Aquarelle usw. sind schnell hingeworfene Werke, was der Begabung meines Vaters anscheinend besonders gelegen hat: Mit ganz wenigen Strichen eine große Räumlichkeit und deutliche Stimmung (Licht) entstehen lassen zu können. Die Frische und Einmaligkeit eines unkorrigierten Strichs und die klare Auffassung und "Vorstellung" (im doppelten Sinne) des Motivs kann sich hier besonders gut entfalten.
b) die Verkaufsbilder und andere große fertiggestellte Ölgemälde zeigen durchweg eine souveräne Maltechnik und manchmal auch Raffinesse. Vieles ist atmosphärisch sehr stimmig, aber vieles auch (subjektiv künstlerisch gesehen) vom Motiv oder der Umsetzung her nicht so interessant. Der Prozentsatz der Frische atmenden und sogar "bewegenden" Bilder ist hier kleiner als bei der Gruppe der nicht kommerziellen Bilder.
Thema Farben und Licht: An vielen Bildern ist ziemlich genau die "Uhrzeit des Motivs" erahnbar. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf den optimalen Abgleich der Farbtemperatur ableiten - was für die Endbearbeitung der Reproduktionen ein wichtiger Hinweis ist. Mehr zu den malerischen Aspekten in Technik und Ausdruck finden Sie auf der Unterseite persönliche Bild-Ansichten + Gedanken.
Alles in allem war und ist mein "Projekt Otto Wagner" eine spannende Reise (natürlich auch irgendwie ein Dialog mit meinem Vater) und durch das Eintauchen in die Bildern (die Bearbeitung der Werke ist ein sehr intensiver Prozess) ist mir klar geworden, dass ich den Blick auf die "Welt des Lichts" ererbt habe . . .
Für näher am Praktischen interessierte Leser: Arbeitsbericht zur Restaurierung
Hier noch ein Bericht über die Entscheidungskriterien und Durchführung des "virtuellen Restaurierens" der Bilder von Otto Wagner. Diese Arbeit (erster Durchlauf ca. 200 Stunden) ist peinlich genau, wohl überlegt und quasi wissenschaftlich durchgeführt. "Quasi" deshalb, weil ich bewusst die Kriterien der "Werktreue" (in diesem Fall keinerlei Eingriffe wie Ergänzungen oder Ausbesserungen von Alterserscheinungen, also genauestmögliche Annäherung an die aktuelle physische Optik des Originals) nicht einhalte.
Mein Ansatz ist "trans-materiell" - also nicht in erster Linie der Abbildung des physischen Stoffs, sondern der Idee - besser: der Seele des Bildes verpflichtet. Dabei nutze ich die digitalen Möglichkeiten umfassend und konsequent. Natürlich hat eine physische Vorbehandlung des Bildes vor der fotografischen Reproduktion den Vorteil, dass ausschließlich virtuell der Restaurierung via Bildschirm Ergebnisse verschlossen bleiben, welche an den physikalischen Bildern selbst mit mehr oder weniger Aufwand zu bewerkstelligen wären (z.B. das Reinigen von Bilder, besonders von teilweise gelben Flächen - z.B. altem Firnis), so ergeben sich bei der Fotobearbeitung auch Möglichkeiten, die physikalisch kaum machbar sind (z.B. unsichtbares Ergänzen von zerstörtem Farbträger - also Pappe, Leinwand usw.)
Die Arbeitsschritte der rein virtuellen Restaurierung sind in etwa wie folgt:
1.
Das fotografische Erstellen der Reproduktionen:
Korrekte Belichtung (immer drei Shots von leicht unter- bis leicht überbelichtet), genügend Spielraum in der Tiefenschärfe und Fotografieren in rechtem Winkel im Zentrum sind Standard.
Ein wichtiger Punkt beim Einrichten der Beleuchtung ist:
Das ausgewogene Verhältnis von der Präsenz der gemalten "Information" zu der Sichtbarkeit des physischen Farbauftrag (Schatten der Erhebungen durch Pinselstrich, Tupfen oder Spachtel) bzw. den optischen Eigenschaften des Trägermaterial (z.B. Leinwand).
2.
Aussuchen der Fotos:
Wahl nach Schärfe, Beleuchtung (gleichmäßige Ausleuchtung), Brennweite (Verzerrungen, Krümmungen).
Ein wichtiger Punkt beim Einrichten der Beleuchtung ist:
Das ausgewogene Verhältnis von Sichtbarkeit der gemalten "Information" zu der Sichtbarkeit des physischen Farbauftrag (Schatten der Erhebungen durch Pinselstrich, Tupfen oder Spachtel) bzw. den optischen Eigenschaften des Trägermaterial (z.B. Leinwand).
3.
Digitale Bearbeitung der Repro-Fotos:
Zuschneiden
bzw.
Ausrichten
(ohne störende Ränder, hie und da auch auf dem Original, weil Otto bisweilen das Gemalte "schief" auf die Leinwand brachte)
Ergänzen von zu wenig "Randsubstanz" (zu weit an den Rand gemalt oder Beschädigungen)
4.
Feineinstellung zur Betrachtung am Bildschirm:
Zu diesem abschließenden Schritt mehr auf der Unterseite
Gedanken zur Bild-Darstellung am PC.