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Karl Schiske (1916-1969)

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KARL SCHISKE - einer der bedeutenden Komponisten Österreichs des 20ten Jahrhunderts!


Diese Aussage mag auch den beschlagensten Musikliebhaber überraschen, da nur noch wenige mit dem Namen Karl Schiske etwas verbinden können - am ehesten noch als Kompositionslehrer von Erich Urbanner, Iván Eröd oder Kurt Schwertsik, aber kaum als Komponist. Dabei haben namhafte Dirigenten wie Karl Böhm, Rudolf Moralt oder Hans Swarowsky Sinfonien von Schiske uraufgeführt. Die Bedeutung des Komponisten war erkannt und die Rezeption im Kommen - aber dazu weiter unten mehr . . .

 

Das Werk des in Westungarn (was 1916 noch zur KuK Monarchie gehörte) geborenen Komponisten zeigt eine Entwicklung von in der Frühphase trotz romantischer Beeinflussung schon stark strukturell geprägten Werken über Kompositionen, die z.T. etwas an Hindemith erinnert, bis zum sehr persönlich unverwechselbar seriellen Stil, der die kompositorische Einheit durch Synthese ganz erfüllt.

 

In allen Phasen des Schaffens von Schiske ist der starke Wille zu klarer Konstruktion, Reduktion, Verständlichkeit, aber auch zur Schönheit und Sinnlichkeit des Klangs und zur sämtliche musikalischen Aspekte umfassende Geschlossenheit eines Werks, in dem alles auf einander bezogen ist, zu spüren. 

 

Besonders die Werke ab den späten 30iger Jahren sind von einer unverwechselbar persönlichen Tonsprache geprägt, die sich - obwohl immer als Schiske erkennbar - deutlich und permanent gewandelt hat.


Anmerkungen zu ausgewählten Kompositionen


... welche hier auf klangrede.com auf CD (Karl Schiske - CDs und Audiodateien) vertreten sind ...

 

Das viersätzige Sextett für Klarinette, zwei Violinen, Viola, Violoncello und Klavier op.5 (entstanden 1937) zeigt Karl Schiskes frühen quasi romantischer Stil, der aber schon höchst eigenwillig war. Die schreitende ostinate Tonfolge c-d-g-f ist identisch mit der in gleicher Weise gebrauchten Eröffnung des "Buch mit sieben Siegeln" von Franz Schmidt, das im selben Jahr fertiggestellt wurde - wohl kaum ein Zufall. Auch der dritte Satz ("langsam") atmet beim ersten Einsatz der Klarinette gegen Satzende die melancholisch-herbstliche Stimmung von Schmidts später Kammermusik. Die Eröffnung des vierten Satzes (nur für Klarinette und Klavier) erinnert an Spielmusiken von Hindemith, bis dann als Kontrast das Streichquartett allein in romantischem Ausdruck und Harmonie auf den dritten Satz zurückgreift. Der kurze Satz findet in der Coda eine Synthese mit dem Cello-Ostinato des Beginns. Nun ist aber alles Schwere und Grüblerische abgelegt und der Satz verklingt leise in heiterer Gelassenheit.

 

Das Klavierkonzert op.11 von 1938/39 ist in seinem teils durchaus noch romantischem Gestus, aber zudem auch der sehr klaren Konstruktion (Fugenfinale) beeindruckend. Ein äußert knapper Kopfsatz, ein langsamer Satz in Form einer Passacaglia, welche zu Beginn wiederum an Franz Schmidt denken lässt. Die gesamte Anlage des Klavierkonzerts verweist schon auf Schiskes zweite Sinfonie. Ähnlich dieser steht im Zentrum des Finales ein Choral, welcher im Klavierkonzert eine gewisse Ähnlichkeit mit Bartoks ein paar Jahre später(!) entstandenem Konzert für Orchester aufweist.

 

Das viersätzige 1. Konzert für Streichorchester op.14 von 1940/41 ist thematisch noch strenger gearbeitet.

 

Die mehrteilige, aber ineinander übergehende Rhapsodie für Klavier op.20 von 1945 ist stark motorisch geprägt und entfernt sich deutlich von jeglicher romantischer Tonsprache. Es kontrastieren in wechselnder Folge fünf bewegte und ruhige Abschnitte.

 

"Vom Tode" op.25 ist ein groß angelegtes Oratorium (komplett aufgeführt ca. 100 min Spielzeit), das Schiske1946 noch unter dem Eindruck des erlittenen Krieges und des Verlusts seines 1944 gefallenen Bruders Hubert geschrieben hat. In dieser großartigen und erschütternden Komposition ist ähnlich wie bei Bachs großen geistlichen Werken alles aufeinander bezogen. Wenn dieser Umstand auch für den Hörer nicht sofort und umfassend erkennbar ist, so fällt doch unmittelbar die große Geschlossenheit, atmosphärische Dichte und starke emotionale Aussage der 24 Teile (Vertonungen unterschiedlichster Dichter) auf.

 

Ein Prolog (Einführung in das Thema Tod, Sterben und die Auseinandersetzung damit) und ein Epilog (besser: die Konsequenz einer musikalisch weiterführenden Koda und einer inhaltlichen Kulminierung des Themas Tod) umrahmen vier Teile, die den Zugriff des Todes auf jegliches Lebensalter des Menschen berühren - dargestellt in den vier Jahreszeiten der Natur vielleicht als Sinnbild dafür, dass der Tod unabänderlich und auch nicht relativierbar ist. 

 

Es bleibt in Worten zwar unausgesprochen - und dennoch ist die Klage oder Anklage nicht zu übersehen: Der anonyme Massentod des Krieges beraubt den Menschen im Sterben seiner Individualität und nimmt ihm die Möglichkeit des Gedankens, der Hoffnung und der Erfahrung eines Sinns im "Aus der Welt gehen".

Somit ist "Vom Tode" auch Mahnung an die Lebenden zu Frieden: Das "memento mori" als ein "memento vitae"!

 

Rückblickend gesehen ist "Vom Tode" in musikalischer Hinsicht nicht Schiskes innovativstes Werk, denn seine weitere Entwicklung führte ihn zu weit konzentrierter geformten Kompositionen. Die später von Schiske verwendete dodekaphonische Schreibweise ist kein Selbstzweck, sondern sein Bestreben, mittels dieser Kompositionstechnik formgebend und thematisch alles mit allem umfassend verbinden zu können. Die so entstandene Synthese op.47 und das Divertimento op.49 sind reine absolute Musik und dennoch in der Deutung der Mittel philosophisch. "Vom Tode" ist aber - nicht nur wegen des konkreten literarischen Inhalts - expressis verbis ein philosophisches Werk und somit kaum mit einer anderen Komposition Karl Schiskes vergleichbar.

 

Unbedingt lesenswert ist Gerhard Winklers Essay "Zurücknahme und Gegenentwurf" (Neue Musik nach 1945: Karl Schiske, S. 255-271). Dieser stellt "Vom Tode" in einen nachdenkenswerten direkten Bezug zu dem 1937 vollendeten "Das Buch mit sieben Siegeln" von Franz Schmidt. Zudem vermittelt der Autor in seiner Teilanalyse dem interessierten Laien eine Ahnung der kompositorischen und inhaltlichen Komplexität von "Vom Tode".

 

"Vom Tode" ist meines Erachtens in seiner ergreifenden Aussage und geistigen und kompositorischen Durchdringung den anderen großdimensionierten und thematisch vergleichbaren Werken des 20ten Jahrhundert (z.B. Brittens War Requiem) gleichwertig an die Seite zu stellen. Im Zuge derzeitiger Wiederentdeckungen auf CD könnte dieses Oratorium dem Komponisten erneut zu wachsenden Beachtung verhelfen, da das Kriterium "Modernität" zum Glück immer mehr an Bedeutung verliert.

 

Die zweite Sinfonie op.26 von 1947/48 zeigt musikalisch noch klarer Schiskes Idee der Synthese. Hier erinnert die Tonsprache etwas an Hindemith. Die Verbindung von der Freude am "Ludis tonalis", visionär romantischen Zügen und barocke Kompositionstechniken (welche im Spätwerk ganz eigenständige Bedeutung erlangen) sind glücklich in einer eingängigen Tonsprache mit einander verbunden.

Der monothematische Kopfsatz hat minimalistische Züge. Der Mittelsatz ist tief empfunden. Das dreisätzige Werk krönt ein verblüffendes Finale, das derart wohl einmalig in der Musikgeschichte da steht: es verbindet Sonatenhauptsatzform mit Scherzo und mit Tripelfuge - alles in einem! Eine faszinierende Synthese aus Spielmusik, Experimentierfreude, Welt der Seele und großer geistiger Konzentration.

 

Zu der Periode mit "Hindemithschen" Klängen gehört auch das dreisätzige Kammerkonzert op.28 von 1948/49. Der raffinierte Einsatz und die vielfältigen Kombinationen der Instrumente lassen dieses spielfreudige und dennoch im langsamen Satz (in dem neben Hindemith auch Bartok und Kodaly anklingen, die beide ebenfalls je ein Orchesterkonzert geschrieben haben - ein Zufall?) auch tief empfundenea Werk voller und farbiger erklingen als es angesichts der eher kleinen Besetzung zu erwarten wäre.

 

Der Psalm 99 op.30 von 1949 ist für sechsstimmigen gemischten Chor gesetzt. Der immer weiter vollzogene Wandel der Tonsprache lässt wieder neue kompositorische Seiten des Komponisten aufscheinen, u.a. die Mischung von Herbheit und Sinnlichkeit.

 

Die Symphonie Nr.3 op.31 "Pacher-Altar" von 1950/51 ist die "große Symphonie" Karl Schiskes, was die zeitliche Ausdehnung und den Anspruch auf "Größe" im konventionellen und visionären Sinne angeht. Dennoch gibt es hier trotz des außermusikalischen Bezugs (eben den spätgotischen Wandel-Altar von Michael Pacher in der Pfarr- und Wallfahrtskirche in St. Wolfgang) keine Rückkehr zur quasi Romantik. Die thematischen und motivischen Verflechtungen sind noch konsequenter als in der zweiten Symphonie gearbeitet und die Tonsprache ist teilweise betont herb. In den Ecksätzen ein Fest für Liebhaber der bitonalen Dissonanzen und des sperrig Eigenwilligen.

 

Das dreisätzige Konzert für Violine und Orchester op.33 von 1951/52 ist ein wahrlich großes Konzert, welches höchste Anforderungen an die Ausführenden stellt - nicht nur was das technische Können des Solisten oder die instrumentale Balance, sondern auch die Durchdringung und Umsetzung des geistigen Inhalts des Werks angeht. Es könnte zu einem Schlüsselwerk in der Rezeption Karl Schiskes werden, da es durchaus das Zeug hat auch breitere Hörerschichten anzusprechen.

 

Die nachfolgenden Werke gehören zur Übergangsphase in das zwölftönige und streng serielle Spätwerk. Die Sonatine für Violine, Violoncello und Klavier op.34 von 1952 ist streng in der Tonsprache und es gibt keine außermusikalischen Bezüge. Die Freude und Befriedigung des Hörens erwächst aus der Reinheit, der konzentrierten Klarheit der absoluten Musik und dem Melos der Ecksätze. Karl Schiske besitzt die großartige Fähigkeit, den Hörer auch im Komplexen durch Klarheit, Wiedererkennbarkeit des Thematischen und spürbare Seelengestalt der Musik jederzeit mitten im Geschehen zu halten.

 

Die Sonatine für Klavier op.42 (1954) ist in den Ecksätzen rhythmisch vertrackt angelegt. Die Verwendung der Quarten erinnert nochmals an Hindemith, aber auch eine Affinität zu Strawinsky ist hörbar. Der quasi zweiteilige Mittelsatz entfaltet zuerst ein melodisches Geflecht, dann lebt er von dem spannenden Gegensatz von Melos und Rhythmus.

 

Die Symphonie Nr.4 op.44 von 1955/56 geht einen deutlich anderen Weg als die ersten drei Symphonien mit deren Prägung durch die Idee der "großen Symphonie". In der Vierten dominiert wie auch in noch folgenden späten Kompositionen mit ökonomisch eingesetzten Mitteln absolut nur die kompositorische Idee - und die ist mit einem 1ten Satz (Streicher) als Exposition, einem 2ten (Holz, Blech, Schlagwerk) als Durchführung und einem abschließenden 3ten Satz als quasi Reprise mit der unveränderten Übereinanderlegung des 1ten und 2ten Satzes wahrhaft etwas faszinierend Neues.

 

Die Candáda für Sopransolo, gem. Chor und kleines Orch. op. 45 (1956/57) zeigt am Übergang zum späten Stil Schiskes nochmals neue Aspekte der Vielseitigkeit des Komponisten auf. Gern wird auf eine Anlehnung an die Kantaten von Anton Webern verwiesen. Ich persönlich denke aber im Kopfsatz des vierteiligen kurzen Werks auf quasi neu-dadaistische Texte von Herbert Mösslacher eher an "Les Noces" von Strawinsky und den spröden Carl Orff, im vierten Satz an Strawinskys Psalmensinfonie. Dennoch ist das Werk in seiner Eigenheit reiner Schiske.

 

Die Choralpartita für Orgel op.46 (1956/57) hat einerseits retrospektiven Charakter. Das bezieht sich nicht nur auf das Schaffen des Komponisten, sondern die Musikentwicklung von Anfang an schlechthin. Die Überschriften Bicinium und Motet weisen schon darauf hin. Andererseits gibt es auch "serielle Synthesetechniken" (Roman Summereder). Wie so oft findet Schiske für den Hörer eine schöne Brücke - hier mit den populären Melodien "Vom Himmel hoch" und "Mitten wir im Leben sind". Bewundernswert ist auch hier wieder einmal Schiskes Gefühl für "gefühlte Länge": Das Erleben stark variierender Phänomene lässt den Hörer nie ermüden. Das Variationswerk empfindet man wie so manche Komposition des Meisters eher kurz(weilig) denn als zu lang geraten.

 

Der Titel Synthese für vier mal vier Instrumente op.47 (1958) ist wie ein geistiges Programm des Komponierens von Karl Schiske: Verbindungen, Entstehung und Entwicklung aus Zellen, die Wichtigkeit des Spiels mit Zahlen, die Möglichkeiten zu kombinieren, das hoch artifizielle und geistvolle Berechnen und dennoch auch das kindliche Staunen darüber, was mit den "Bauklötzen" alles anzufangen ist - und das Ganze erscheint niemals blutleer und jederzeit sinnlich erfahrbar. Synthese op.47 ist im Grunde - wie auch im Ansatz manches im Spätwerk J.S.Bachs - als kein Werk zu einer "fertigen" Aufführung gedacht, sondern mehr als reine Idee: Hier ist alles quasi unendlich kombinierbar und somit gibt es auch keine nur annähernd festgelegte Aufführungsdauer. Die Kreativität der Spieler ist genauso gefragt wie die Möglichkeiten des Geistes und des Vorstellungsvermögens der Musiker bzw. des Leiters, was für die Ausführung sinnvoll und im Konzerterlebnis für den Hörer als Gestaltung der Musik auch nachvollziehbar ist. Das Werk dauert je nach Ausführenden von wenigen Minuten bis . . .

 

Das Divertimento für 10 Instrumente op.49 von 1963 ist ein, wenn nicht DAS herausragende Meisterwerk in Karl Schiskes Spätwerk. Die serielle Komposition fasziniert unmittelbar sinnlich und ist überraschend leicht verständlich und einprägsam - zumindest zugänglich. Von mathematischer Konstruktion (Fibonaccische Reihe) geprägt erlaubt dieses geniale Stück (ca. 15 Min) dennoch eine musikalische Wahrnehmung mit vielen phantasievollen assoziativen Gestalten: Kontemplation, Natur, Grauen, Witz, Tanz und Groteske fallen mir da spontan außermusikalisch ein. 

Zudem komponiert Karl Schiske im Divertimento op.49 seine Ideen und die musikalischen Phänomene derart klar verständlich (sowohl für rein hörendes Verstehen als auch zum Nachvollziehen anhand der Partitur), sodass dieses Werk zu einem idealen Lehrstück für die serielle Sparte der Musik des 20ten Jahrhunderts gerät und somit für den Gebrauch im Musikunterricht nur wärmstens empfohlen werden kann. Die geringen Anschaffungskosten der kleinen Doblinger Studienpartitur können bei neugierigen Lehrern die Hemmschwelle senken helfen :-)

 

Schiskes letzte vollendete Komposition ist seine fünfte Sinfonie in B op.50 von 1965, in der nochmals die Summe seines Bestreben zur Synthese deutlich wird - hier nicht nur bezüglich des kompositorischen Materials, sondern in den Querverweisen auch auf einige B-Komponisten (Bach, Beethoven, Bruckner, Brahms, Bartok) - also im Grunde alles westlichen Komponierens an sich. Ein würdiges Testament des großen Komponisten.


KARL SCHISKE - kommt seine Zeit noch?

 

Alle Kompositionen von Karl Schiske vermeiden Ausuferndes, es gibt schon in den frühen Werken kein "Füllmaterial". Die Tonsprache ist dennoch eingängig und sinnlich. Das starke Streben nach klarer Konstruktion und Verknüpfungen, welches letztlich zur kompromisslosen Synthese und manchmal auch kompositorischen Askese führte, können bei dem einen oder anderen Werk auch den Eindruck von stark "Gewolltem" hervorrufen. Jedenfalls ist es keine Musik der "vielen Worte", sondern es sind konzentrierte und "ideenreich gebaute" Werke. Eine hohe Aufmerksamkeit des Hörers ist notwendig - und diese ist Preis und Lohn zugleich, um Schiskes Weg der konsequenten Suche und Umsetzung von Wahrhaftigkeit zu ergründen. Ich habe das bewusst so formuliert, weil gerade die eigene Aufmerksamkeit und Lernbereitschaft nicht nur Tribut, sondern auch Lohn sind - und natürlich die Musik selbst ...

Leider war es Karl Schiske nicht mehr vergönnt, seine Musik vom abgeklärten Licht des Alters geprägt zu erzählen.

 

In den fünf Sinfonien, zwei Konzerten, Klavier- und Kammermusik, Lieder, Chormusik und dem großen Oratorium "Vom Tode" kann man so viel Abwechslung und zudem unterschiedliche Stile und neue individuelle Ideen finden, sodass es verblüfft, das dieser Komponist nicht stärker im Bewusstsein unserer Musikwelt angekommen ist. Zudem prägte Karl Schiske durch seine Professur als Kompositionslehrer, welche er im Grunde noch über seine Tätigkeit als Komponist stellte, eine ganze Generation an jungen Komponisten in Österreich und auch weit über die Landesgrenzen hinaus.

 

. . . Frage . . .

 

Wie kann es also sein, dass dieser Komponist fast vergessen ist und sogar seine Hauptwerke so selten gespielt werden? Selbst im Jahr 2016, seinem hundertsten Geburtsjahr, und im Jahr 2019, seinem sechzigsten Todesjahr, ist keine einzige CD mit Werken des Jubilars auf dem Markt erschienen!


? . . . Antworten . . . ?

 

Vielleicht - weil Karl Schiske immer bescheiden war und sich nicht in den Vordergrund drängte. In seinem Komponieren war er sowieso "fernab der Welt". Das war dann ein langes und zähes Ringen um Geschlossenheit und Reinheit der Umsetzung des neuen Werks. Im letzten Jahrzehnt seines Lebens vergingen oft Jahre, bis er ein weiteres Werk veröffentlicht hat.


Vielleicht - weil ihm seine Kompositionsschüler und die musikalische Entwicklung des Landes Österreich wichtiger waren als sein eigenes kompositorisches Schaffen. So verschlossen er privat als Mensch war: Im Musikalischen war Schiske immer neugierig auf den Diskurs, das "anders sein" jedes einzelnen seiner Studenten, welche er nie dazu verleiten wollte, so zu komponieren wie er es tat. Sein Ehrgeiz war vielmehr mit zu helfen, dass jeder sich selbst entdecken und entfalten konnte und kann.


Vielleicht - weil er sich in diesem Bestreben danach, das Beste für seine Schüler zu erreichen oft dem Unverständnis von Kollegen und "oberen" Stellen aussetzte und das auf seine Reputation zurückfiel und die mangelnde Bereichschaft maßgebender einflussreicher Stellen, ihm und seinem bedeutenden Oeuvre nachhaltig und über seinen viel zu frühen Tod hinaus zu Bewusstsein in der Musikwelt zu verhelfen, erklären könnte: Schiske, der unangenehme Mahner und Forderer, darf jetzt mal schweigen ...

Er hat z.B. als Professor seiner "Klasse Schiske" ein neues Tonstudio mit innovativer Technik (damaliger Elektronik, Tonbandmaschinen usw.) einrichten lassen, damit seine Schüler in ihrem Drang zu Experimentieren und sich zu entfalten nicht eingeschränkt waren. Das stieß in seinem beruflichen Umfeld sicher auf viel Unverständnis, da im Österreich der 50ziger und 60ziger Jahre ein Komponieren unter Verwendung von Elektronik noch suspekt war und abgelehnt wurde. Schiske selbst komponierte ja "konventionell" - aber es kann ihm nicht hoch genug angezurechnet werden, dass er seinen Schülern diese bahnbrechenden Möglichkeiten eröffnet hat.

 

Vielleicht - weil er unzufrieden war mit dem Umgang mit der vermeidlichen Tradition und deren Auswirkungen auf die allgemeine Musikerziehung und das Musikleben - und weil diese erkannten Missstände auch klar aussprach. Nicht wörtlich zitiert, aber sinngemäß: "In Österreich gibt es - im Vergleich mit den USA - zu wenig Mut für Neues, zu wenig Uraufführungen und ganz besonders zu wenig Nachhaltigkeit - also dieselben neue Stücke auch öfters aufs Programm zu setzen, damit das Publikum sich daran gewöhnen kann". 

 

Vielleicht - weil er von Anfang an immer mehr zur Reinheit, zum Absoluten (also im Grunde Mathematischen) der Musik strebte. Das machte ihn in den Dreißigern nicht attraktiv oder populär, dann kam der 2.Weltkrieg und nach dem Krieg war die bleierne Kulturpolitik durch die neue Staatordnung noch längst nicht abgelegt. Das dauerte noch bis in die 80ziger Jahre, wie die Zeitzeugen im großartigen Film "Evolution auf B" von Kurt Brazda berührend in österreichischer fatalistischer Bitterkeit und lächelnden Resignation darstellen. Schiske hätte, um breiter reüssieren zu können, noch die 70ziger und 80ziger Jahre erleben müssen.

 

Vielleicht - und das ist das Traurigste und Tragische - weil er mit 53 Jahren einfach zu früh starb, um ein starkes Netzwerk bilden zu können (was wohl mehr die Aufgabe seines Umfelds gewesen wäre, da ihm selbst nicht so viel an seinem "Erhalt" gelegen war!) und es seine Lust am musikalisch Ungesagten und sein Drang, immer wieder neuer Strukturen und Techniken zu (er)finden ihm versagte, sein Schaffen mit einem ganz reifen abgeklärten Stil über der Sturm und Drang hinaus entwickeln zu können. Aber wer weiß: vielleicht wäre Karl Schiske auch mit 70 und 80 noch nicht kompositorisch "angekommen", wenn er seine unbändige Neugierde eines Höhlenforschers im Schönbergschen Sinne nicht abgelegt hätte ...

Aber war er denn nicht sowieso "angekommen", da er ja jederzeit das umsetzte, was ihm im Augenblick als das Richtige und zwingend Notwendige erschien? Dass er die Fähigkeit und auch den Willen hatte, für den Hörer zu schreiben (über jegliches "verständlich sein wollen" hinaus, hat er in manchen Werken wie "Vom Tode" hinlänglich bewiesen. Das Divertimento op.49 - ein Stück, das schon dem Titel nach Vergnügen bereiten soll und es auch wahrlich tut! - lässt ahnen, dass Schiske ein Komponist geworden wäre, der die serielle Musik, in welcher er ebenso Schönheit, Expressivität und Sinnlichkeit der Musik ausdrücken konnte, vielen Musikliebhabern hätte näher bringen können. Aber warum so einschränkend: Karl Schiske hat es mit einigen Werken je bereits getan! 


Vielleicht . . . und was wäre gewesen, wenn . . .

 

Es ist nun mal so wie es ist.

 

Erfreuen wir uns an dem, was Karl Schiske uns zur Freude und zur Anregung hinterlassen hat.


ABER - wie Kurt Brazda so lapidar wie treffend sagte:

Er muss halt auch AUFGEFÜHRT werden, damit man die Musik auch HÖREN hören kann . . . !!!


Und ich ergänze:

Die Musik von Karl Schiske muss auch ganz besonders auf Tonträger AUFGENOMMEN werden, da die Chance für eine Verbreitung von unbekannter, vergessener und neuer Musik heutzutage zum allergrößten Anteil in der Präsenz von Tonträger (CD, DVD usw.) liegt! Auch deshalb ist der Film von Kurt Brazda als "Weckruf" so wichtig!

 

Nochmals: Sowohl der hundertste Geburtstag als auch der fünfzigste Todesjahr gingen am Buchmarkt als auch an der CD-Industrie (weder gab es CD-Veröffentlichungen von vorhandenen Tonaufnahmen noch entstanden aktuelle Einspielungen) völlig spurlos vorbei! Der österreichische Rundfunk hat ein paar Sendungen produziert, die zwar im Internet erwähnt, aber längst nicht mehr als Podcast abrufbar sind. Was nützen Beschreibungen und Fotos einer Mahlzeit, wenn man diese nicht riechen und schmecken kann ...

 

Auf meiner Seite hier versuche ich einen kleinen Lichtblick für alle diejenigen zu setzen, die neugierig auf und offen für die Musik von Karl Schiske sind - und welche Musik als eine Herausforderung ansehen. Demjenigen, der glaubt dass ihn bei bei Schiske vielleicht nur verstaubte Vergangenheit oder blutleerer Konstruktivismus erwartet, rate ich:

Hören und erleben Sie selbst, wie lange es dauert und wie viel geistige (und seelische!) Auseinandersetzung es benötigt, bis ein Werk wie "Vom Tode", die Vierte Symphonie oder das Divertimento wirklich verinnerlicht und in seiner Fülle erlebt ist und welch große Befriedigung und was für eine eigene Entwicklung dieser Prozess der Aneignung bringt - gerade weil dieser Prozess (wie jedes Aufbauen einer liebevollen Beziehung) auch mühevoll ist!


JEDER sei hier angeregt ermutigt, bei der Rezeption des Komponisten Karl Schiske mitzuwirken:

Musiker, Dirigenten, Konzertveranstalter, Schallplattenlabels, Rezensenten, Autoren, Essayisten . . .


Über das Informieren und neugerig machen hinaus soll diese Seite hier somit auch zur Kontaktaufnahme und zum Austausch dienen!


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